Ceux qui font les révolutions à moitié n’ont fait que se creuser un tombeau – Those Who make revolution halfway only dig their own graves

Während der diesjährigen Berlinale habe ich viel Kontroverses über diesen Film gehört. Das hatte zur Folge, dass ich ihn umso lieber sehen wollte, am vorletzten Tag des Festivals hatte ich die Chance dazu. Als ich aus dem Saal ging, erschien mir der Rest des Festivals als belangloses Flimmern. An diesen Abend werde ich mich wohl für immer erinnern können.

Der Film lief in der Sektion »Generation 14plus« und war für Jugendliche ab 16 Jahren empfohlen worden.
Viele (insb.) Jugendliche verließen während der Pause (der Film hat eine Länge von 3h 4min) den Kinosaal. Das lag vornehmlich daran, dass dieser Film zwar durchaus ein FSK 16 verdient, aber definitiv nichts für unerfahrene, jugendliche Festivalbesucher ist, die sonst oft nicht so viele Filme im Jahr sehen bzw. sich nicht wirklich ernsthaft mit diesem Medium beschäftigen.
Denn auf diesen Film muss man sich einlassen können.
Wenn man das kann und nicht den evtl. noch vorhandenen, unterbewussten Abwehrreaktionen seines Körpers gehorcht (filmisches und inhaltliches Vorwissen erwünscht), ist er ein unglaubliches Erlebnis. Die direkte, ungeschönte Gewalt, die Nacktheit und allein schon das schwierige Thema, um das sich dieser Film dreht, sind für viele Zuschauer schwer zu verarbeitende Aspekte, was nicht abwertend zu verstehen ist.
Doch sollte man sich dieser Unsicherheit unbedingt stellen, lieber früher als später!

»Ceux qui font…« zeigt während des Films immer wieder Aufnahmen von eskalierenden Studentenprotesten in Québec aus dem Jahre 2012 (v.a. gegen die Erhöhung der Studiengebühren), die den Film maßgeblich inspiriert haben und dessen Protagonisten Teil dieser Proteste waren. Es geht um die Geschichte von vier ehemaligen Studenten, die die Ungerechtigkeit in der kapitalistischen Welt sehen und versuchen, diese durch anarchistische Methoden wortwörtlich zu zerstören.
Doch stellen sich unweigerlich viele Hindernisse in ihren Weg.
Ist ihre anarchistische Ideologie nur Ausdruck ihrer Depression, ihres Unglücks in einer Welt, die sie nicht aufnehmen will?
Verfliegen ihre Ansichten mit zunehmendem Alter?
Ist Veränderung überhaupt möglich?

Schon der Anfang dieses in der internationalen Öffentlichkeit vermutlich insb. durch seinen äußerst expressiven, unkonventionellen, aber nur so Realismus erzeugenden Charakters übersehenen Films, ist genial.
Ihr dürft euch auf ca. fünf Minuten dunkle Leinwand verbunden mit einer wahnsinnigen, Spannung und Vorfreude erzeugenden klassischen Musik freuen. Der Film ist ein cineastisches Kunstwerk. So sehen wir mehrere Kameraeinstellungen- und Weiten, verschiedene Bildauflösungen und Lichtkompositionen (u.a. scharf, hell / unscharf, dunkel).
Das beleuchtete Szenenbild ist einzigartig. Am eindrucksvollsten ist aber die unglaubliche Hingabe der Darsteller, die diesem Film eine wahnsinnige Kraft geben und ihn nie verblassen lassen. So sollte Schauspielerei immer sein!
»Ceux qui font…« ist spannend und bis zur letzten Minute unerwartet. Zwischendurch werden immer wieder Texte von wichtigen Philosophen und Revolutionären eingeblendet, die den nicht zu vernachlässigenden wissenschaftlichen Charakter des Films verbildlichen. Es ist sehr interessant zu sehen, wie sich die Hauptfiguren den Problematiken und Widersprüchen ihrer radikalen Ideologie stellen und diese konfrontieren. Noch ist es nur über teure Umwege möglich, an den Film heranzukommen, hoffentlich ändert sich das bald!

Release (Ersterscheinungsdatum) 13. September 2016

Trailer (OmU)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert