Diesen Artikel werde ich wahrscheinlich nicht vor dem ersten Juni veröffentlichen können, warum ist schnell erklärt…
…Drei Wochen später: Meine mal wieder etwas längere Filmblog-Abstinenz liegt wohl an meiner aktuellen Tätigkeit.
Ich bin derzeit als Freiwilliger in einem peruanischen Kinderdorf aktiv und zur Zeit augenscheinlich sehr beschäftigt.
Während meines gut sechsmonatigen Peruaufenthalts fällt es mir nicht nur schwerer als sonst, zu schreiben und zu veröffentlichen, sondern selbstverständlich auch schwerer, mit den aktuellen Entwicklungen in der Welt des Films und insbesondere mit dem Filme schauen mitzuhalten. Heutzutage ist es mir natürlich möglich, die Filmzeitschrift online zu abonnieren und mir Filme auf mobile Geräte herunterzuladen, doch kompensiert das natürlich nicht den Austausch über dieses Medium und den mir bisher noch nicht möglich gewesenen Besuch eines Kinos. Dennoch mache ich auch hier, in einem Dorf in der Nähe von Lima, neue Erfahrungen und bekomme neue Einblicke in den Filmkonsum von Kindern eines sich dem unseren stark unterscheidenden Kulturkreises.
Der Kinofilm sieht sich bei uns einer starken Konkurrenz ausgesetzt. Vielleicht eher weniger der des Theaters, dafür aber mehr der boomenden Video-on-Demand-Industrie oder auch zunehmend interaktiven Videospielen.
Hier im Kinderdorf erlebe ich das komplette Gegenteil. Eine der wenigen Möglichkeiten, aus ihrem traumatisierten, familienlosen und eintönigen Leben zu fliehen und in eine andere Welt einzutauchen ist für die Kinder der Film.
Wir Freiwilligen fördern das, indem wir Filme an die Kinder verleihen. Ich kann gar nicht aufhören, neues Material zu kaufen, schließlich fragen die Kinder ständig danach und wirklich viel kosten tun die abgefilmten Raubkopien auf dem Markt nicht.
Am liebsten schauen die Kinder Actionfilme. Das kennen wir von zuhause, oder? Eher nicht! Denn hier schauen nicht nur die etwas älteren Jungs gerne dabei zu, wie sich alles von Superhelden und Aliens bis Maschinen und Soldaten die Köpfe einschlägt.
Hier schauen alle gerne zu. Lieblingsgenre 8-jähriger Mädchen? Action! “Terror”, wie man diese meist eigentlich nicht für Kinderaugen gedachte Filmgattung im Spanischen gerne liebevoll bezeichnet. Aber hier macht das niemandem etwas aus.
Ob der neueste “Avengers”-Film, ein schrecklich herrlich patriotischer “Battleship”-Kriegsfilm (in dem zum Glück kein Blut zu sehen ist), den Kindern ist alles recht, alle schauen zu. In letzter Zeit versuche ich, dem feinfühligere und insgesamt qualitativ hochwertigere Filme entgegenzusetzen bzw. hinzuzufügen. Gerade schaue ich “Star Wars” in dem Haus (10 Kinder), auf das ich anfangs zugeteilt wurde. Und siehe da, den Kindern gefällt’s!
Von wegen Langeweile, nur weil der erste Teil aus dem Jahre 1977 stammt. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie erleichtert ich war, als ich die in Bann gezogenen Gesichter der Kinder zum ersten Mal erblickte.
Was anfangs scheinbar unmöglich schien, ist auch hier machbar. Wenn man sich ein wenig Mühe gibt, kann man den Filmgeschmack und somit die Mediennutzung und -sensibilität bis hin zu Denkweise und Charakter insbesondere medial unerfahrener junger Menschen womöglich überall auf dieser Welt im Positiven, leider aber auch im Negativen beeinflussen. Hoffen wir das Beste für die Kinder dieser Erde!
In meinen Augen macht es einen großen Unterschied, ob sich die Kinder “Transformers” oder “Der Junge im gestreiften Pyjama” zu Gemüte ziehen. Schließlich beschränkt sich ihr gezielter Medienkonsum auf die Schule, zuhause liest ihnen außer mir gerade keiner vor oder sagt ihnen, welche Bücher, Zeitschriften oder Filme denn gut für ihre Entwicklung seien.
Umso rätselhafter ist es, dass ich gerade sehr selten Filmanfragen bekomme. Ab und zu werde ich darum gebeten, einen bestimmten Film zu kaufen, die einstige Anfragenflut scheint aber abgeebbt zu sein. Auch daran merkt man die enorme Formbarkeit und Ambivalenz der Kinder. Ich liebe Fußball, spiele aber lieber Basketball. Was wird gerade ausschließlich gespielt, in einem Land, in dem Fußball noch wichtiger als im fernen Deutschland ist? Basketball! So ähnlich ist das auch mit den Filmen, nur, dass ich es dieses Mal nicht von außen getriggert habe. Warum genau derzeit eher weniger Filme geguckt werden, kann ich nicht sicher beurteilen. Vielleicht wird den Kindern gerade einfach nicht so viel erlaubt. Derzeit mag es aber auch am insgesamt fehlenden Strom liegen…
Fest steht, dass die Kinder sich für den Film ernsthaft begeistern können, hoffentlich bald wieder mehr.
Wer tagtäglich in der Regel nicht mehr als das Kinderdorf und den Schulweg vor Augen hat, muss diesen Kontakt zur und die Flucht in die Außenwelt sowie in eigene Traumwelten mit beiden Händen ergreifen und darf ihn unter keinen Umständen loslassen.
Denn so entstehen Wünsche, Träume und Ziele. Alles Dinge, die für uns selbstverständlich erscheinen, aber für ein armes Waisenkind eine ganz andere Bedeutung entfalten.
Doch jetzt ist erst einmal WM angesagt! Ein Pech, dass Peru und Deutschland beide ihre Auftaktspiele verloren haben…