The Witches – eine Ode an die Märchenkultur

Märchen, Sagen, Mythen, Legenden – sie bilden die Geschichte jedes größeren Landes und prägen die kulturelle Identität menschlicher Gesellschaften. Manche von ihnen werden in verschiedenen Ländern in abgewandelter Form wieder- und weitergegeben, so auch allerlei Erzählungen über Hexen.

Natürlich nimmt die Folklore in einer globalisierten Welt mit Zugriff auf Informationen zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eine andere Rolle ein als noch vor ein paar hundert Jahren, als an einem kleinen Lagerfeuer zu später Stunde ein schauriges Märchen eine ganz andere Bedeutung und Kraft entwickeln konnte, als es das in der medial überlasteten Welt heute tut. Trotzdem haben Legenden, Mythen, Sagen und Märchen ihren Reiz nicht verloren, sondern genießen vielmehr einen unangefochten dominanten Platz in unserer Popkultur. Das liegt auch daran, dass sie besonders auf Kinder weiterhin eine magische Wirkung haben können. So auch auf den kleinen Luke, der die Erzählungen seiner Großmutter über grausame Hexen erst nicht glauben mag. Doch ist der Titel »The Witches« (im Deutschen »Hexen hexen«) unmissverständlich. Zumal Regisseur Nicolas Roeg bereits 1973 mit dem Horrorklassiker »Don’t Look Now« (deutscher Titel: »Wenn die Gondeln Trauer tragen«) sein Publikum verstörte.

Zum Glück erinnert sich Luke gut an die Hinweise und Ratschläge seiner Großmutter. Er weiß: Hexen hassen Kinder und verabscheuen deren Geruch, frisch gewaschene Exemplare sind am übelsten. Hexen haben keine Haare und tragen deshalb Perücken, unter denen es gehörig juckt, weshalb sie sich des Öfteren am Kopf kratzen müssen. Und Hexen haben ein violettes Funkeln in den Augen, woran man sie ganz eindeutig identifizieren kann. Das hilft dem kleinen Jungen aber nur bedingt, denn Hexen können zaubern und bedienen sich zahlreicher Tricks, um ihre Machenschaften zu verbergen.

Nobody’s ever seen the devil, but we know he exists, don’t we?

Luke muss sich schon früh mit dem Tod auseinandersetzen. Seine Eltern sterben bei einem Autounfall, er bleibt in der Obhut seiner Großmutter. Und dann wird er auf einmal mit einer echten Hexe konfrontiert, auf deren billige Tricks er nicht hereinfällt. Sie stellt sich als »Grand Witch« heraus, die Hexe aller Hexen. Ihre und Lukes Wege kreuzen sich bald erneut, als er und seine Großmutter in einem Hotel residieren, in dem zeitgleich ein Konvent für Kinderwohl stattfindet, eine Tarnveranstaltung für die eigentliche Konferenz der Hexen. Aufgrund fehlender Erfolge beim Kindertöten ersinnt die Großhexe einen düsteren Plan: Ihre Hexenschaar soll Süßwarenläden öffnen und an einem festgelegten Tag alles verschenken. So sollen alle Kinder Großbritanniens ein in Biskuit und Konfekt verstecktes Zaubergift zu sich nehmen, das sie schrumpfen und zu Mäusen werden lässt, die dann von den Hexen kinderleicht (pun intended) eliminiert werden können. Luke bekommt Wind von diesem üblen Vorhaben, wird aber beim Lauschen erwischt und sogleich in eine Maus verwandelt. Doch er kann dem Hexenpulk gerade noch entkommen, um gemeinsam mit seiner Großmutter und einem anderen zur Maus verwandelten Kind die Hexen aufzuhalten.

Kindliche Zuversicht im Angesicht magischer Übermacht

Luke ist kein Kind von Traurigkeit, sondern nimmt das Schicksal, wie es kommt, und macht sich beschwingt auf den Weg, das Unheil zu stoppen. Diese Leichtigkeit bestimmt den Ton des Films, dem es zwar auch nicht an gruseligen Szenen und widerlichen Effekten mangelt, der aber stets eine elegante Balance zwischen Schauer und Komödie halten kann und auch nicht vor klaren Botschaften (esst nicht zu viel Süßes, Kinder!) zurückschreckt, die jedoch nie aufgesetzt oder gar lächerlich erscheinen. Insgesamt macht ihn das zum perfekten Familienfilm, auch wenn eine gewisse visuelle Darstellung im Filmverlauf nicht ohne ist. Am besten, ihr klickt vor Beginn des Films nicht all zu unbedarft auf Google Bilder, sondern lasst euch wenigstens noch ein bisschen überraschen. Zwar ist »The Witches« generell relativ vorhersehbar, doch spielt das aufgrund seiner lebendigen Inszenierung und der offen gewählten Struktur der Märchenerzählung nur eine untergeordnete Rolle. Alles passiert Schlag auf Schlag, der Film bleibt zu jedem Zeitpunkt dynamisch und kurzweilig. Die Filmemachenden kennen die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen dieser Gruselgeschichte, oder sagen wir den »Rahmen«. Am Ende fühlt es sich genau deshalb so an, als hätte uns die eigene Großmutter gerade ein Märchen erzählt. Und vermissen wir diese Zeit nicht alle?

Und weil ich das Filmplakat von »The Witches« so herrlich finde, hier habt ihr es. Wer es sich zuerst auf eine Leinwand drucken lässt, hat gewonnen.

 

Release (Deutschland): 28.06.1990

Trailer (ENG) von »The Witches«

 

 

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