The Hand of God – Leid und Hoffnung des Paolo Sorrentino

Schicksal, Sinn, Glaube, Schönheit, Napoli. Diese Themen sind prägend für das Werk des bedeutendsten lebenden italienischen Regisseurs Paolo Sorrentino. „The Hand of God“ ist der bisher persönlichste Film des stolzen Neapolitaners, der mit seinem Magnum Opus »La Grande Bellezza« 2014 den Oscar für den besten ausländischen Film gewann.

Sein neuestes Werk ist von starken autobiographischen Zügen geprägt und darf in einem Atemzug mit »Cinema Paradiso« (1988) von Giuseppe Tornatore genannt werden. Aber auch ohne den direkten Bezug auf die Adoleszenz Sorrentinos, ist seine einzigartige filmische Handschrift in jeder Pore des Films zu spüren. Er hält sich zwar in der visuellen Opulenz seiner Mise en Scène zurück, doch sehen wir bereits im Trailer für Sorrentino typische Bilder, die sich dann auch konstant durch den Film ziehen. So etwa die geradlinige Kamerafahrt hin zu einem riesigen Kronleuchter, der zentral in der Mitte der Einstellung hell leuchtend am Boden eines großen Hauses liegt. Aber auch die weniger stilisierten Bilder sind eine Augenweide.

Wie nur wenige andere Regisseure schafft es Sorrentino, in jeder einzelnen Szene Unmengen an Energie in geschlossenen wie offenen Räumen zu bündeln und freizusetzen. Das liegt auch an der durchweg großartigen Leistung des gesamten Schauspielensembles, unter ihnen wie in fast allen seinen bisherigen Filmen der charismatische Toni Servillo. Im Zentrum steht aber Sorrentinos Alter Ego Fabietto, gespielt von Filippo Scotti. Der 17-jährige Fabio, so tauft ihn schließlich ein späterer und für seine Laufbahn entscheidender Weggefährte, weiß noch nicht so recht, wo sein Platz im Leben ist. Seine Berufung als Filmregisseur wird erst durch das prägendste Ereignis seines Lebens ausgelöst.

Filme über das Filmemachen begehen oft den Fehler, zu detailliert und konkret zu werden. Fabiettos Faszination wird in »The Hand of God« jedoch nur angedeutet. Die Bilder sprechen hier für sich, genau so wie es im Kino sein sollte.

potential (but light) spoilers ahead

Den Film zeichnet die gelungene Balance einer enormen emotionalen Bandbreite aus. Zunächst wird auf der Leinwand und im Publikum herzlich gelacht und das italienische Dolce Vita in vollen Zügen genossen. Kleine Subplots bereichern die herzlich erzählte Geschichte einer eng verbundenen Familie, die sich liebt, aber nicht all zu ernst nimmt. Bis dann alles in sich zusammenfällt.

Den Übergang von Heiterkeit in stummes Leid inszeniert Sorrentino mit großem erzählerischen und filmischen Feingespür. Seine Charaktere bleiben sichtbar und gehen nicht im allgemeinen Unglück unter. Zwar standen mir irgendwann auch die Tränen in den Augen, doch sie flossen nicht. Denn »The Hand of God« drückt nicht dauernd auf die Tränendrüse, sondern behält am Ende das Gleichgewicht aus Schmerz und Hoffnung, welche Sorrentino wohl auch dazu befähigt hat, Werke auf einer Ebene zu schaffen, die der Transzendenz nahe kommen wie vielleicht nur die Filme des texanischen Autorenfilmers Terrence Malick oder des sowjetischen Großmeisters Andrei Tarkowski.

Man könnte meinen, in »The Hand of God« drehe sich eigentlich alles um Sorrentinos großes Idol Diego Armando Maradona, dessen Name ungefähr drei Millionen Mal ausgesprochen, nein geliebt wird. Die Inspiration hinter dem Filmtitel ist offensichtlich und dennoch auf einer mehrdeutigen metaphorischen Ebene zu verstehen. Es ist fast schon makaber, dass Maradona einen Monat nach Drehende verstarb.

Bezeichnend ist auch, dass für dieses Werk puren Kinos ein Streaminganbieter die Produktion übernommen hat. Aber wenn sich sonst kein anderer geeigneter Kandidat gefunden hat, ist das Kino nun einmal selber Schuld. Wobei ich in den Genuss kommen durfte, den Film auf der Leinwand sehen zu dürfen. Immerhin ist das an manchen Orten zumindest für einen Monat lang möglich. Aber auch auf einem kleinen Bildschirm kann »The Hand of God« sicherlich seine Wirkung entfalten.

Release (Deutschland): 15.12.2022 (Netflix)

Teaser Trailer (ITA mit ENG UT) von »The Hand of God«

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