Spencer – Wie relevant ist das Leid der Lady Di?

»Their lenses are more like microscopes, really. And I’m the insect in the dish. See, they’re pulling my wings and my legs off one by one – Making notes on how I react.«

Diana Spencer ist eine auch fast 25 Jahre nach ihrem tragischen Unfalltod präsente Gestalt der westlichen Popkultur. Eine schillernde, missverstande Frau, die spätestens seit der Heirat mit Prince Charles in und außerhalb der eigenen vier Wände so viel beobachtet wurde wie wenige andere Menschen jemals zuvor, beeinflussen konnte man die emanzipierte Frau scheinbar aber nur bedingt. So wird sie zumindest dargestellt. Wirklich beurteilen kann ich ihre Außenwirkung nicht, geschweige denn ihr privates Verhalten. Ich war noch nicht einmal geboren als ihr Leben schon ein jähes Ende nahm. Richtig beschäftigt habe ich mich mit Lady Di, wie sie in Deutschland oft idealisierend genannt wird, nie. Zum allgemeinen Kulturkanon gehörte sie aber selbstverständlich immer dazu.

Es gibt bereits unzählige Dokumentar- und Spielfilme über ihr Leben. Brauchen wir noch mehr? Nicht unbedingt. Aber freuen wir uns nicht auch auf die nächste Macbeth-Verfilmung von Joel Coen? Ja, unbedingt!

Regisseur Pablo Larraín, der zuvor schon mit einem Biopic über Jackie Kennedy mit Natalie Portman in der Hauptrolle für Aufmerksamkeit und positive Resonanz sorgte, hat sich gemeinsam mit dem renommierten Drehbuchautor Steven Knight (u.a. »Eastern Promises« und »Peaky Blinders«) der schwierigen Aufgabe angenommen, einen neuartigen Film über einen scheinbar bereits vollständig ausgeleuchteten Menschen zu schaffen.

»Spencer« ist visuell durch und durch stilisiert, der dominante Vintage Look ist unübersehbar. Die Kamera betont die großen Räume, in denen sich die fragile Diana bewegt, gespielt von Kristen Stewart in ihrer bisher wohl größten Rolle. Zunächst mag man eine überspielte Performance befürchten, die sich dann aber als bewusst ausgespielter Charakterzug einer sehr speziellen Persönlichkeit herausstellt.
Kristen Stewart ist eine Meisterleistung gelungen, ihre erste Oscarnominierung ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Der differenzierte Score von Jonny Greenwood, der die Stimmung mal widerspiegelt, mal verstärkt und mal auslöst, trägt zur dichten Atmosphäre des Films bei, die jener von Anfang bis Ende beibehalten kann.

Hier eine nicht ganz spoilerfreie, aber das Filmerleben zumindest in meinen Augen nicht beeinflussende, kurze Zusammenfassung der Ausgangssituation:

»Im Jahr 1991 beschließt Princess Di während ihrer Weihnachtsferien mit der königlichen Familie im Sandringham House in Norfolk, ihr Leben als Princess of Wales und ihre Ehe mit Prince Charles zu beenden.«

So viel zur äußeren Handlung, die mehr als Anhaltspunkt und Mittel zum Zweck denn als zentrale erzählerische Instanz dient. »Spencer« konzentriert sich auf die vermeintlich kleinen Dinge. Dianas erwartet pünktliches Erscheinen zu den gemeinsamen Familiendinnern, die Selektion der Gerichte mit Rücksicht auf ihre Vorlieben, die nervenaufreibende Auswahl ihrer Kleider für jeden Teil des Tages. Die Söhne Harry und William sollen mit ihrem Vater Charles Fasane schießen gehen, Diana soll sich ganz grundsätzlich der royalen Etikette anpassen. All das wird für die eigenwillige Prinzessin zu einer unerträglichen Kakophonie, der sie nicht zu entrinnen vermag.

In der Darstellung dieser Druck aufbauenden Einzelteile liegt gleichermaßen die Stärke wie auch die Schwäche des Films. Einerseits bietet sich die Kombination dieser Versatzstücke ideal für eine kohärente, aber abwechslungsreiche Inszenierung an und geben detailliertere und wertvollere Einblicke als der Versuch, Dianas Leben erneut mit dokumentarischem Anspruch wiederzugeben. Andererseits überhöhen sie zumindest in meinen Augen auch die Bedeutung ihres persönlichen Unglücks und geben diesem durch zusätzliche fantastische Elemente eine unvermeidliche Bedeutsamkeit oder eher eine betont bedeutungsschwangere Art. Wahrscheinlich ist das bei einem solchen Film unvermeidbar. Und meine Wahrnehmung liegt vermutlich auch an meiner wenig emotionalen Haltung gegenüber jeglichem heutigen Adel, der mir oftmals eine eher phlegmatische und reaktive bis reaktionäre Grundhaltung vermittelt. Natürlich nehmen Royals zumindest in konstitutionellen Monarchien auch die wichtigen repräsentativen Aufgaben eines Präsidenten bzw. einer Präsidentin ein, doch schwelt darunter, und das tut es in »Spencer« unweigerlich ebenfalls, eine zusätzliche Signifikanz, die ich für längst überholt halte. In anderen Ländern braucht es im Grunde nur eine Person und nicht einen ganzen Hofstaat für die Ausführung präsidentieller Angelegenheiten. Auch wenn Diana sich dem aufgesetzten royalen Gehabe widersetzt, ist sie doch lange Zeit Teil der unzähligen pompösen Akte. Was man nicht alles für die Liebe tut? Oder für die Möglichkeit, ebendiese in der Welt zu verbreiten? Wobei auch das wieder als überheblich interpretiert werden könnte.

Vielleicht fehlen mir aber auch einfach die britischen Gene, um »Spencer« am Ende mit tränendem Auge und schmerzendem Herzen zu verlassen, die Wirkung der inhärenten Melancholie ging aber auch an mir nicht spurlos vorbei. An der filmischen Herangehensweise und Umsetzung wie der herausragenden schauspielerischen Leistung von Kristen Stewart soll dies auch keinen Abbruch tun. Und schlussendlich geht es im Film auch primär um die Darstellung eines Einzelschicksals, welches auf das Leben vieler anderer Menschen, die unter einem sie einengenden Umfeld leiden oder im fordernden Blick der Öffentlichkeit stehen, übertragbar ist. Um mit Dianas Worten zu enden:

»I’m a magnet for madness. Other people’s madness.«

 

Release (Deutschland): 27.01.2022

Teaser Trailer (ENG) von »Spencer«

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