Die dokumentarische Netflix-Miniserie „Wild Wild Country“ setzt sich mit der oft als Kult klassifizierten Sannyasin-Bewegung auseinander. Angeführt wurde diese von „Bhagwan Shree Rajneesh“ und dessen Bestrebung, seine Überzeugungen in die Welt zu tragen. Im Zentrum der Serie steht die Auseinandersetzung mit dem kontrovers diskutierten Siedlungsprojekt der Bewegung in Oregon und dem daraus resultierenden Konflikt zwischen konservativen Anwohnern und Behörden sowie den von ihnen als invasiv und destruktiv wahrgenommenen Sannyasins.
Die große Stärke der Serie ist ihre Ambivalenz. Die FilmemacherInnen beziehen keine direkte Stellung zu den Aussagen der ProtagonistInnen und stellt beide Seiten in regem Wechsel gegenüber. Einige Sannyasins erfahren im Laufe der Handlung eine weitaus komplexere Charakterentwicklung als ihre Gegenparts, was vorläufig den Eindruck einer überproportionierten Darstellung ihrer Erfahrungswelten erwecken kann. Besonders in der sechsten und letzten Folge der Serie wird jedoch deutlich, dass dieses Bild von der Geschichte selbst gezeichnet wurde. Die Serie wie auch die Realität endet mit einer bittersüßen Note und behält dadurch ihre eben beschriebene Balance.
Die Serie zeigt nicht nur das Aufeinandertreffen verschiedener Lebens- und Moralvorstellungen, sondern offenbart vielmehr Grundstrukturen und Verhaltensweisen der menschlichen Gesellschaft, die weit über politische Positionen und juristische Entscheidungen hinausgehen. In meinen Augen lässt sie die grundsätzliche Einstellung der konservativen Seite gegenüber anderen Lebenskonzepten anzweifeln, stellt aber auch die Motivation einiger Sannyasins in Frage und rückt generell die gegenseitigen Reaktionen beider Seiten in ein kritisches Licht.
So fühlt sie sich trotz ihrer vor allem musikalisch hervorragend Spannung und Atmosphäre erzeugenden Inszenierung im Mittelteil teils langatmig und etwas zu detailverliebt an, doch entsteht dadurch eine zunächst unbewusst wahrnehmbare Immersion und ein immer größerer Interpretationsspielraum.
Wild Wild Country lässt dem Zuschauer nämlich Zeit, schon während des Sehens eigene Gedanken und Standpunkte zu den besprochenen Themen zu formulieren, um sie dann immer wieder gekonnt zu durchkreuzen. Bis zum Schluss manifestierten sich nur wenige feste Meinungen in mir und so bin ich auch nach Ende der Serie weiterhin zwiegespalten und dadurch inspiriert, mich mit den Fragen, welche die Serie stellt, noch intensiver auseinanderzusetzen.
Release (Netflix Deutschland): 16. März 2018
Trailer (ENG)